Wie sich die Azubi-Suche bei der Westfälischen Stahlgesellschaft verändert hat
Süderländer Tageblatt vom 14. März 2019 (Text von Jona Wiechowski)
Plettenberg – Heute braucht es kein Studium mehr, um Karriere zu machen. Und auch, wenn die Noten nicht überdurchschnittlich gut sind, hat man gute Chancen, in einem Betrieb unter zu kommen. Wie sich die Suche nach Auszubildenden in den letzten Jahren verändert hat, besprachen jetzt Vertreter der Agentur für Arbeit mit dem Bürgermeister und der Westfälischen Stahlgesellschaft (WS) / Ziehwerk, die als gutes Beispiel vorangeht. Die wichtigsten Punkte.
Das Problem
Es gibt mehr Stellen als Bewerber. Während das für Bewerber fast schon Luxus ist („Sie können sich die Stellen aussuchen“), stellt das die Unternehmen vor große Herausforderungen, erklärte Carsten Plate von der Agentur für Arbeit. „Es kommen 1,3 Stellen auf einen Bewerber“, verdeutlichte er. Die Unternehmen müssen sich neue Möglichkeiten ausdenken, wie sie an Bewerber kommen. „Die Westfälische Stahlgesellschaft hat gut reagiert“, lobte Plate. Der Geschäftsführende Gesellschafter Dr. Markus Krummenerl bestätigte, dass sich bei der Firma in dieser Hinsicht einiges geändert hat.
Das Recruiting
Die Firma geht aktiv auf potenzielle Bewerber zu. „Vorher haben wir hier gesessen und gewartet“, verdeutlichte Krummenerl. Wer die Ausbildung
bei der WS erfolgreich absolviert hat, hat gute Chancen, übernommen zu werden. Damit hätte das Unternehmen schon „exzellente Erfahrungen“ gemacht. Das hat viele Gründe: Die Azubis kennen das Unternehmen, die Arbeit und die Mitarbeiter. „Und wir kennen die Leute schon“, erklärt Krummenerl. Aktuell und wichtig: Die WS bildet auch die IT selber aus. Informatiker sind auf dem freien Markt schwer zu finden.
Auch die Einstellungskriterien an sich haben sich geändert. Habe man vor einigen Jahren noch aus mehreren Schülern mit Noten im Einser- und Zweier-Bereich aussuchen können, handele es sich dabei heute um ein Luxusproblem. „Wir müssen unser Suchraster ausweiten“, so Krummenerl. Heißt: Auch Leute, die Dreien und Vieren auf dem Zeugnis haben, werden
heute zu Gesprächen eingeladen. Auch beim Lebenslauf sei es heute entspannter. Früher war bei WS ein geradliniger und lückenloser Lebenslauf
gefordert. Heute sind auch Quereinsteiger und Studienabbrecher „gern gesehen“.
Die Werbung
Die ist heute deutlich stärker und auffälliger. Gezeigt wurde als Beispiel ein Plakat mit einer leicht bekleideten attraktiven Frau mit Stahlkette, daneben stand die Frage: Leidenschaft für Stahl? „Das hätten wir vor einigen Jahren
nicht gemacht“, sagte Thomas Schaumann, Geschäftsführender Gesellschafter. Heute sei das anders: Man müsse auffallen, sichtbar sein. Dazu gehört auch, auf der Ausbildungsbörse in der Schützenhalle (dieses Jahr im Juni) präsent zu sein.
Die Mitarbeiter der WS
Die WS bildet in den letzten Jahren mehr aus – trotz weniger Bewerber. In den letzten zehn Jahren ist die Zahl der Auszubildenden von 9 auf 23 gestiegen. Die Zahl der Mitarbeiter ist im gleichen Zeitraum um knapp zehn Prozent gestiegen, von 270 bis 300.
Das sagt die Stadt
Bürgermeister Ulrich Schulte sprach das Problem an, dass Bewerber aus Schalksmühle oder Halver momentan schon allein wegen der Entfernung
rausfallen würden. „Das müssen wir zusammen mit der Industrie besprechen“, erklärte er. Möglicherweise könnten Anreize geschaffen
werden, um für die Dauer der Ausbildung nach Plettenberg zu ziehen.
Kein Studium
In der Runde wurde klar: Nicht jeder ist für ein Studium geeignet. Und heute braucht es ohnehin kein Studium mehr, um ein „gutes fünfstelliges Einkommen zu bekommen“, sagte Krummenerl. Karriere ist möglich
auch zum Beispiel über eine Ausbildung bei der WS. Eine gute Möglichkeit, um auszuprobieren, sei ein Praktikum, wie die Runde bestätigte.
Hilfestellung
Wer nicht zurecht kommt, kann sich Hilfe suchen. Berufsberater Arthur Weiss brachte die assistierte Ausbildung ins Spiel. Hier kann mit Coaching und Nachhilfe nachgebessert werden. „Das ist ein gutes Angebot für Schüler“, erklärte Weiss.
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(Foto: Jona Wiechowski)